Am Nachmittag des 7. März 2025 fuhr ich mit dem RE50 in die sächsische Landeshauptstadt Dresden. Der Zug war voll, ich habe bis Dresden-Mitte gestanden. Dann ging es ins B&B-Hotel am Yenidze, von wo man in ein paar Minuten den Ostra-Sportpark erreicht, an dem am Folgetag der Megamarsch stattfinden sollte. Ich habe noch bei REWE Getränke und Abendbrot eingekauft, auch für den Folgetag.

Am Morgen erstmal ein gemütliches Frühstück, denn meine Startzeit war erst 09:15 Uhr. Ich sah die vielen Wanderer auf dem Weg zum Ostra-Sportpark. Dann machte ich mich auch auf den Weg und bekam am Start ein Teilnehmerband, ein Stempelheft mit dem ersten Stempel und dann ging es auch schon los. Der Veranstalter schickt alle fünf Minuten 100 Leute auf die Strecke. Der Megamarsch fand 2025 bereits das achte Mal in Dresden statt.

Nach dem Start um 09:13 Uhr ging es direkt den Rudolf-Harbig-Weg entlang zur Marienbrücke und darüber zur anderen Seite der Elbe. Hier ist die F6 (Fernverkehrsstraße 6) die in der DDR-Zeit einer Zigarettenmarke den Namen gab. Der Rohtabak kam aus der ehemaligen Yenidze-Zigarettenfabrik die hinter der Zugstrecke zu sehen war. Der Bau der Zigarettenfabrik im Stil einer völlig fremden Kultur stiess auf heftige Ablehnung, erfüllte aber seinen Werbezweck. Architekt Hammitzsch wurde wegen dem Bau aus dem Berufsverband ausgeschlossen, wurde später NSDAP-Mitglied, heiratete eine Schwester von Hitler und beginn zum Kriegsende Selbstmord.

Die Strecke führte nun zum Neustädter Markt. Dort befindet sich der Nymphenbrunnen und der goldene Reiter. Das vergoldete Reiterstandbild zeigt August den Starken, Kurfürst von Sachsen und König von Polen, als römischen Caesar mit Rüstung in nordöstlicher Richtung zum polnischen Königreich auf einem courbettierenden Hengst reitend. Wir liefen auf der Hauptstraße nach Norden.

Über den Albertplatz ging es in die Alaunstraße, dann über den Alaunplatz in den Alaunpark. Szeneviertel. Von dort ging es im Prießnitzgrund weiter, entlang der Prießnitz – einem kleinen Flüsschen, welches in Dresden in die Elbe mündet. Allerdings endete der schöne Weg gleich wieder an der Prießnitzgrundbrücke. Dort gab es mit der ersten Treppe auch die ersten der 600 Höhenmeter, die so insgesamt auf die Wanderer warteten.

Oben wartete – strategisch günstig – ein Motorrad der Johanniter. Dieses Motorrad sollte ich noch öfters sehen, die ersten 30 Kilometer sollte es uns begleiten. Allerdings wohl recht unwahrscheinlich, das jemand die ersten zehn Kilometer schon Schwierigkeiten hat. Außerdem liefen wir nun an der Garnisonkirche St. Martin vorbei auf die Stauffenbergallee. Dort ist das sächsische Landesamt für Steuern und Finanzen.

Dann ging es über die Radeberger Straße, Chalottenstraße, Heideparkstraße und Fischhausstraße zum Fischhaus und dann in den Wald. Dort ging es am Wolfshügelturm vorbei zur F6. Den Turm hab ich aber nicht gesehen. An der F6 ging es mit weiteren Höhenmetern in den Stadtteil „Weißer Hirsch“ und zum ersten Versorgungspunkt an der 59. Grundschule „Jürgen Reichen“. Irgendwo davor das 10-Kilometer-Schild.


Hier machte ich Pause mit „Corny“ aus der Selbstbedienungskiste und einem Becher Multivitaminsaft. Saft ist nicht so beliebt, aber ich hatte auch keine Lust mich irgendwo anzustellen. Hier wurde auch Gummibärchensaft verteilt. Ich setzte mich zehn Minuten hin und lüftete mal kurz die Schuhe. Ein paar kleine Steinchen fielen heraus. Außerdem verstaute ich die Jacke im Rucksack, um im T-Shirt weiterzulaufen.


Nach einem Kilometer ging es wieder mit Höhenmetern weiter. Der Weg heißt hier Rodelweg, vermutlich weil die Kinder hier im Winter bergab rodeln. Oben auf dem Berg in Rochwitz wartete ein Motivationsschild: „Du bist nicht so weit gekommen, um nur soweit zu kommen. Weiter gehts!“ Etwas motivierender war dann in Bühlau ein DJ-Team, dass am Fenster eines Einfamilienhauses die Wanderer mit Musik begrüsste.


Nächste Station der Wanderung war Weißig. Hier gab es im Sportpark den zweiten Versorgungspunkt bei 17,5 Kilometern. Der Veranstalter hatte etwas alle 10 Kilometer einen VP eingerichtet, dass machen inzwischen fast alle Marschveranstalter so. Hier gab es eine Banane und Kaffee und wieder ein paar Minuten zum hinsetzen. Es war nun schon Mittag durch. Auch die Füße wurden wieder gelüftet.


Das ging es durch Weißig hindurch zum alten Bahndamm. Hier verlief die ehemalige Schmalspurbahn Bühlau-Dürrröhrsdorf. Irgendwann dann das 20-Kilometer-Schild. Meine Finger hatten sich inzwischen in Wurstfinger verwandelt – sie waren stark angeschwollen. Ich machte ständig Fingerübungen und schließlich kam ich zu einem Highlight der Strecke.



Das im 16. Jahrhundert erbaute Renaissance-Schloß Schönfeld geht auf eine mittelalterliche Wasserburg zurück. Hier wurde von allen Wanderern fleißig fotografiert. Vom Kleinbauernmuseum Reitzendorf habe ich leider nichts mitbekommen. Durch Reitzendorf und Zaschendorf ging es weiter nach Süden in Richtung Pirna. Übrigens: Irgendwo dort gab es einen steilen Abstieg über 100 Höhenmeter.


Was mach ich eigentlich hier? Nun, am Jahresanfang hatte ich beschlossen, diese Jahr die 50 Kilometer zu knacken. Ich wollte erst mehrmals 30 Kilometer, dann 42 Kilometer und am Jahresende 50 Kilometer wandern. Leider ist das mit Schichtarbeit und maximal zwei freien Wochenenden nicht so einfach. Und so wanderte ich hier, eine Woche nach meinem ersten 30-Kilometer-Mammutmarsch, meinen ersten Megamarsch mit 50 Kilometern.


Für die 50 Kilometer hatte ich mir eine etwas andere Strategie überlegt. Es sollte nicht um Geschwindigkeit gehen, sondern darum, überhaupt im Ziel zu landen. Ich wollte an jeden VP eine deutliche Pause machen, bei 30 Kilometern eine deutlich längern, um dann zu überlegen, ob ich das ganze abbreche. Dieser Moment sollte gleich kommen, vorher gabe es aber noch Verwirrung. Der GPX-Track zeigte nach rechts, die Beschilderung geradaus. Das sollten dann noch 700 Meter mehr werden.


Dann das 30-Kilometer-Schild und der Versorgungspunkt 3. Wir waren nun bei der Feuerwehr in Graupa, dass bereits zu Pirna gehört. Hier gab es endlich auch Cola und ich trank gleich zwei Becher. Außerdem Corny und ein Quetschie, diesmal aus dem Rucksack. Ich legte mich ins Gras, lüftet die Füße, guckte nach einem Vogel am Himmel und wollte dann entscheiden wie es weitergeht.


Ich spürte vier Blasen an den Füßen. Beim Aufstehen humpelte ich schmerzend nochmal zum Cola-Stand. Dann beschloss ich nun einfach durchzuziehen. Mit dem Colabecher in der Hand lief ich sehr langsam los. Nach zweihundert Metern konnte ich wieder halbwegs laufen und die Cola war auch alle. Irgendwelche Wanderer am VP 3 hatten erzählt, dass es von nun an nur noch abwärts geht. Das war natürlich gelogen. „Hör nicht auf wenn es weh tut. Hör auf wenn du fertig bist.“


An einem Weingut vorbei ging es dann aufwärts zu einem Weinlehrpfad, dem Leitenweg. Ich machte beim Aufstieg mal zwei Minuten Pause auf einem Baumstamm. Belohnt wurde man mit einer Aussicht auf den Elbhang mit Weinreben, Weinbergkirche und auf den Ort Pillnitz. Irgendwo im Hintergrund die Elbe. Endlich das 35-Kilometer-Schild. Noch 15 Kilometer – das sollte machbar sein.


Bei Hosterwitz etwas Verwirrung: die aufgemalten Pfeile zeigten auf den Bergweg, dort war aber keinerlei Beschilderung. Ein paar Wanderer meinten, man solle die Landstraße weiterlaufen. Andere sagten, der Bergweg sei auch schon letztes Jahr der Weg gewesen. Ich nahm den Bergweg, es ging wieder bergauf und dann wieder bergab. Bei Niederpoyritz war der letzte Verpflegungspunkt. Da kamen sehr viele Wanderer die Landstraße entlang. War das doch der falsche Weg?

Am VP4 setzte ich mich mit einem großen Becher Cola auf eine Palette mit Gurkendosen. Ich zog die Jacke wieder an, denn die Sonne war am untergehen und es wurde langsam kühl. Dann gab es einen Kaffee und einen Besuch auf dem Dixie. Fünfzehn Minuten Pause. Ich schätzte, dass ich mit ungefähr elf Stunden im Ziel ankommen könnte. Füße lüften, es roch schon. Dann wieder los. Erst langsam, dann wieder schneller.



Nach 600 Metern die Landstraße entlang, gab es dann den nächsten Aufstieg – diesmal zum Königlichen Weinberg Wachwitz. 40 Kilometer geschafft. Zwei Treppen: hinaufsteigen einfacher als absteigen. Wo ist dieser Rhododendronpark? Schwebebahn. Blaues Wunder, endlich an der Elbe. Grünes Licht, muss das Lingnerschloß sein. Kirchenglocken bimmeln. Dann die Waldschlösschenbrücke und das 45-Kilometer-Schild. Noch eine Stunde bis zum Ziel.

Treffe zwei Wanderinnen mit Blasenproblemen. Wir machen Spaß: für die 100 Kilometer jetzt einfach rückwärts zurücklaufen. Irgendwie unvorstellbar. Aber das waren die 50 Kilometer auch mal. Setzt mich für ein paar Minuten auf eine Bank. Umweg wegen der kaputten Carolabrücke. Dann Treppe abwärts und Treppe aufwärts zur Augustusbrücke. Nun geht es zur Altstadt. Vor der Dresdener Hofkirche, eigentlich Kathedrale Sanctissimae Trinitatis, nach rechts weg, an der Semperoper vorbei zum Elbufer. Nächstes Schild: noch 1 Kilometer.


Weitere Schilder im Abstand von 100 Metern. Eine Fotofalle von Sportograf blitzt mich fünf Mal an. War der Rudolf-Harbig-Weg am Morgen auch so lang? Glückliche Finisher kommen mir entgegen und grinsen. Zieleinlauf. Medaille und Urkunde. Es ist 20:23 Uhr. 11 Stunden und zehn Minuten. Ich lass das Stempelheft abstempeln. Auf die Wall of Fame habe ich keine Lust. Zurück zum Hotel. Letzte Treppe, weil der Fahrstuhl nicht kommt. 2 Liter Fanta, ein Glas Gewürzgurken und eine Ibuprofen, weil ich nicht schlafen kann.

50 Kilometer geschafft. Ich habe keine Ahnung wie. Insgesamt sind 2783 Wanderer an den Start gegangen. 2666 sind bis zum Ziel gekommen. Der Frühstücksraum im Hotel am nächsten Morgen glich einem Rekonvaleszententreff. Ich setzte mich in den Zug nach Leipzig.
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